„Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.“ (Jesaja 53,4). Das ist die Tageslosung heute am 9.12. – Wenn wir wüssten, wen Jesaja da vor Augen hatte, als er diese Worte von Gott empfing! Wer war diese Gestalt, die er wahrnahm, die ihm von Gott gezeigt wurde, dieser „Gottesknecht“, der so viel leiden muss? Dachte er an sich selber, oder an einen Profeten, der in Israel erst noch kommen wird? Oder sah er sein Volk, das Volk Israel, das jüdische Volk, in diesem Leiden und Geplagtwerden wieder? Ein Volk, das erwähltes Gottesvolk ist und doch schon so unsägliches, unnennbares Leiden tragen musste in seiner Geschichte? Christinnen und Christen, die diese Bibelstellen vom Gottesknecht memorierten, fanden darin das Geschick Jesu vorhergesagt: er ist der Knecht Gottes, der kommt um alles Leid auf seine Schultern zu nehmen, alle Schuld zu tragen um uns zu erlösen. – Ja, Weihnachten ist nicht nur Friede, Freude und was dazugehört. Weihnachten ist nicht nur der holde Knabe im lockigen Haar. Weihnachten ist auch Jesus, der am Kreuz sterben wird. Dem kein Leiden dieser Welt fremd sein wird. Weihnachten ist Gott, der in die Tiefe der Erde eintaucht, das Leben, auch Leiden auf sich nimmt um uns zu zeigen: das Leid ist mit seinem Kommen in die Welt nicht einfach verschwunden. Aber wir dürfen in allen leidvollen Stunden Jesus als Verbündeten, Mitfühlenden, Mittragenden an unserer Seite wissen! – Darin ist er unser Erlöser: weil er uns Gottes grenzenlose Fürsorge und Liebe, Zuwendung und Hilfe bringt. Die Welt ist nicht einfach erlöst, wie sie ist. Aber sie darf um die Gegenwart des Erlösers wissen, der kein Menschenkind alleine lässt und der will, dass allen Menschenkindern Hilfe, Beistand, Liebe zuteil wird. – Momentan müssen Menschen in unseren Gemeinden so kurz vor Weihnachten von lieben Menschen Abschied nehmen. Wieder läuteten heute in Klanxbüll die Glocken, davor in Horsbüll. Der Pfarrer und Theologe Heinrich Vogel, Mitglied der gegen Hitler eingestellten Bekennenden Kirche, dichtete einmal: „Mein Sterbebett steht im Advent. Ich warte auf dein Kommen. Ob Leib und Seele sich auch trennt, du willst zum Heil mir frommen.“ Und dann schildert Heinrich Vogel, der sein eigenes Sterben im Advent erwartete, wie er sich getrost in die Arme des Heilandes fallen lassen will. Er bittet auch für die, die er zurücklässt: „Mit Deinen Armen Du umfasst auch sie, die um mich weinen.“ Und schließt: „Mein Sterbebett steht im Advent. Du riefst mich schon bei Namen; Dein Morgenstern am Himmel brennt, ja komm, Herr Jesu. Amen!“ Für mich ist es eines der ergreifendsten Lieder vom Sterben ausgerechnet in dieser Zeit vor Weihnachten. – Jesus kommt. Auch in die dunkelsten Stunden unseres Lebens. Und: er bringt Licht. Bleibt behütet!

„Leise rieselt der Schnee, still und starr ruht der See. Weihnachtlich glänzet der Wald. Freue dich, 's Christkind kommt bald. Bald ist heilige Nacht. Chor der Engel erwacht. Hört nur, wie lieblich es schallt. Freue dich, 's Christkind kommt bald.“ – Was für ein schönes Weihnachtslied. Heute klingt es besonders schön. Schnee - unser Boxerhund wollte die Nacht schon mal unbedingt auf Pirsch gehen und war begeistert über die weiße Wunderwelt. Ein ungewohnter Anblick – in Niebüll sollen die Bobbesrutscher alle vergriffen sein. Die einen sorgen sich. Stürze gab es auch schon. – Aber auf der anderen Seite bietet der Schnee einen herrlicher Anblick. „Leise rieselt der Schnee“ – Pastor Eduard Ebel hat das Lied 1895 in Graudenz gedichtet, und es wurde zu einem der bekanntesten Weihnachtslieder. Oft einfach als Sehnsuchtslied nach etwas weißer Wunderpracht mitgesungen. Und manchmal kann man es eben auch mitten im Flockenwunder singen. Ich finde die zweite Strophe sehr schön: „In den Herzen wird's warm. Still schweigt Kummer und Harm. Sorge des Lebens verhallt. Freude dich, 's Christkind kommt bald.“ Ja, Kummer, Sorgen, Harm, das kennen wir alles. Aber im Schnee wird es vielleicht wirklich etwas gedämpfter. Tritt zurück hinter das Staunen. Wir blicken Richtung Himmel, von wo die Flocken kommen. Und erinnern uns: Bald ist Weihnachten. Jesus kommt. Der, der uns anbietet: „All eure Sorge werft auf mich – denn ich sorge für euch!“ – In dem Sinne wünsche ich euch einen sorgenärmeren, staunensreicheren Donnerstag!

 

Das Foto von der Emmelsbüller Kirche ist von Martha

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„Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ (Johannes 6,37). So sagt es Jesus in der Jahreslosung. Viel zu oft haben wir uns als Kirche hinter dicken Kirchenmauern zurückgezogen, Leute eingeladen, gewartet, wer kommt, waren oft genug enttäuscht, wenn nur wenige kamen. Jesus hat auch eingeladen, aber vor allem ist er auch selber hingegangen, zu den Menschen, auf die Plätze, an die Häuser. Er ist die offene Tür und zugleich die große Einladung Gottes an die Menschen. In Gleichnissen erzählt er vom Vater, dessen Tür auch für den verlorenen Sohn in der Fremde offen bleibt, und der Vater lässt ihm die Zeit, die dieser braucht, um selber aus eigenem Entschluss wieder heimzukehren. Genauso erzählt Jesus aber auch vom Verlorenen Schaf, das selber nicht zurückfindet, sondern den Hirten braucht, der es sucht, findet, befreit und heimbringt. Auch so ist Gott: der, der uns aufsucht, da wo wir sind, manchmal sind wir zu schwach zum Glauben, zu schwach unser Leben allein in den Griff zu bekommen. Und er sagt uns: Ich helfe dir, ich bin an deiner Seite. Beides gehört bei Gott zusammen: die offene Tür, durch die wir jederzeit eintreten dürfen. Und die Hilfe, die uns nachgeht, entgegenkommt, uns in den Weg tritt, wenn wir am wenigsten mit ihr rechnen. – Kirche ist daher nicht nur dort, wo die Kirche aus Steinen steht. Sondern sie sollte dort sein, wo Menschen sind, wo Menschen fragen, suchen, zweifeln, glauben. Kirche ist da, wo Schöpfung ist – draußen in der Natur, am Deich, im Wald, unter dem Sternenhimmel. Kirche ist da, wo Menschen wohnen: bei der Taufe im Garten, bei der Andacht am Forellensee. Kirche ist unterwegs, weil Gott unterwegs ist, nicht im Himmel bleibt und dort auf uns wartet, sondern uns auf der Erde entgegentritt, entgegenkommt, Mensch wird mitten unter uns, um uns zu zeigen, wie sehr er mit uns lebt und jeden Tag bei uns ist, oft unsichtbar oder „still und unerkannt“, wie es in einem Weihnachtslied heißt – und trotzdem da. Und da Kirche nicht nur da ist, wo Kirche aus Steinen gebaut ist, laden wir ein: zu euch. Vor Häuser von Menschen aus unseren Gemeinden, die ein kleines adventliches Programm vorbereiten und alle einladen. Manchmal findet das Programm im Freien statt, manchmal auch in einer Räumlichkeit. Zieht euch auf jeden Fall lieber etwas wärmer an und bringt eine Tasse mit, ein Heißgetränk und oft auch etwas zu knabbern wird es geben. Meist ist die Uhrzeit 17.30 Uhr, nur zwei Ausnahmen an diesem Wochenende gibt es, die sind im Plan aber auch vermerkt. Das Programm dauert nicht lange, aber soll uns gemeinsam einstimmen auf dieses Wunder: dass Gott zu uns kommt, Mensch wird mitten unter uns. Und es soll Raum bleiben für ein paar Gespräche, etwas Geselligkeit danach. Wir laden also in diesem Jahr wieder ein zu unserem Lebendigen Adventskalender. Danke an alle Gastgeberinnen und Gastgeber, ihr seid großartig! Und morgen geht es los, im Landhafen in Niebüll, und am Freitag dann weiter, nach Hof Gaarde in Horsbüll. Hier kommt gleich unser ganzes Programm. Wir freuen uns auf euch!

Im Kindergarten meiner Vikariatsgemeinde in Landau-Nussdorf gab es an Nikolaus immer einen großen Auftritt: der Nikolaus kam mit einem Weihnachtsengel, las aus einem großen Buch zu jedem Kind etwas vor, und dann wurden die Geschenke verteilt! Gerne denke ich an die beiden, den Nikolaus und seinen Engel, die das immer so schön gemacht haben. In Hessen durfte ich in den letzten Jahren selber in einem Nachbarskindergarten, wo ich unbekannt genug war, in die Rolle des Nikolaus schlüpfen – die Kinder wollten so viel wissen, ich war immer ganz schön aufgeregt vor diesen Auftritten, aber staunte auch über die Freude der Kinder, ihren Wissensdrang, die Gedanken, die sie sich machten. Und immer kam die Geschichte des heiligen Nikolaus vor, der schon damals in Myra den Menschen geholten hat. Besonders schön fand ich immer die von dem vollbeladenen kaiserlichen Getreideschiff, das in Myra anlegte, während dort eine große Hungersnot herrschte. Das Ziel des Schiffes war die kaiserliche Hauptstadt Konstantinopel, für den Kaiser war die Ladung bestimmt. Nikolaus nahm all seinen Mut zusammen und verhandelte mit dem Kapitän, ob nicht ein Teil der Ladung bei den hungernden Menschen in Myra verbleiben könnte. Und weil der Kapitän sich darauf nicht einlassen wollte, gab Nikolaus ihm sein Wort: es werde ihm in Konstantinopel an keinem Getreide fehlen! Sie machten einen Deal. So lange dürfen Säcke Getreide ausgeladen werden, so lange das Schiff dadurch nicht leichter werde. Ein Kreidestrich auf Höhe des Wasserstandes am Schiffsrumpf sollte den Beweis erbringen. Es war doch unmöglich! Das Schiff musste doch leichter werden, also steigen, wenn Getreidesäcke ausgeladen würden. Aber das Wunder geschah. Nikolaus ließ Sack um Sack Getreide ausladen, und das Schiff wurde nicht leichter, stieg nicht im Wasser. Endlich war genug Getreide ausgeladen, um die Menschen in Myra durch den Winter zu bekommen und um im nächsten Frühjahr auch wieder neu aussäen zu können. Und dem Schiff soll es in Konstantinopel am Ziel seiner Reise auch wirklich an keinem Getreide gefehlt haben. Was für eine Geschichte: was da ist, reicht, wenn wir es nur gerecht verteilen! Die, die eh schon viel haben, kommen deshalb nicht zu kurz. Aber die, die in Not sind, können überleben! Können wir dieses Vertrauen mitnehmen in diesen Winter, wo hier Menschen ganz schön zu knapsen haben, während andere weiter gut und ohne nennenswerte Einschränkungen zurecht kommen? In diesen Winter, wo aber in der Ukraine ganz andere Nöte und Herausforderungen warten als bei uns, und weltweit angesichts so vieler Hungersnöte eben auch?! Könnte das, was noch da ist, auch bei uns – noch mehr und weiter reichen, wenn wir es nur richtig und fair angehen? Ist unsere Solidarität nun schon ausgereizt – oder kann Gott unsere Herzen noch mehr bewegen, für die nächsten Nächsten und auch die ferneren Nächsten? Manchmal täte so jemand wie Nikolaus gut – der voll Zuversicht die Ärmel hochkrempelt, die entscheidenden Anweisungen gibt, voll Gottvertrauen ist und dafür sorgt, dass niemand zu kurz kommen muss. Und dabei selbst mit vorangeht. Habt einen gesegneten Nikolaustag! Heute morgen – da war was los … So brav war ich ja eigentlich gar nicht … Aber dankeschön, lieber Nikolaus!

Puh, die Heiligen verlangen aber auch einiges ab – gestern erst einmal die Zweige der heiligen Barbara in die Vase gestellt, nun bloß nicht den Stiefel vergessen, der in der Nacht für den heiligen Nikolaus bereit stehen sollte, damit er ihn auch füllen kann – heimlich und unerkannt, wie er am liebsten arbeitet! – Aber es sind doch wunderbare Tage. Das Vorbild von Menschen vor langer Zeit leuchtet auf vor unseren Augen. Und Brauchtümer haben sich entwickelt, die auch der Seele gut tun: ein blühender Zweig mitten im Winter. Ein mit Naschwerk gefüllter Stiefel in dieser Wartezeit auf Weihnachten hin. Und so manchen Nachahmer hat Nikolaus ja längst gefunden – Menschen, die in diesen Tagen selber mit Gewand und Sack bepackt durch die Gegend gehen um Groß und Klein mit ein paar Gaben zu erfreuen! – Gewiss mag sich so manche Legende um diesen und jene Heilige geschlungen haben. Aber ein wahrer Kern steckt ja meistens hinter den Erzählungen. Und Heilige leuchten durch ihr Beispiel: wie sie, oft in Zeiten, als Glaube an Gott und Jesus lange nicht gesellschaftsfähig war, oft sogar mit Verfolgung geahndet wurde, fest zu ihrem Glauben standen, alles dafür gaben, sogar bereit waren ihr Leben hinzugeben: was für eine Überzeugung muss sie da erfüllt, was für eine Liebe zu Gott beflügelt haben. Und wie Menschen sich von der Not anderer berühren ließen und bereit waren zu geben, selbstlos, Hab und Gut, um anderen zu helfen. Während die einen debattierten, wer etwas tun müsse und die anderen erklärten, sie können nichts ändern, haben sie längst gehandelt. Ein Zweig in der Vase und ein gefüllter Stiefel: schöne Erinnerungshilfen! Und dazu die Losung für heute: „Lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen, denn du bist mein Gott; dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn.“ (Psalm 143,10). Also, Stiefel putzen und bereit stellen – und sich überraschen lassen! Bleibt behütet!

Ein paar Zweige, etwas trostlos in der Vase. Und doch besondere Hoffnungsboten. Frisch geschnitten. Barbarazweige. Denn heute ist Barbaratag. Die heilige Barbara soll um das Jahr 300 den Martyrertod gestorben sein. Ihr Vater wollte sie gut verheiraten, aber sie wollte nicht heiraten und ließ sich stattdessen taufen. Obwohl er sie in einen Turm hat einsperren lassen, konnte der Vater den Willen seiner Tochter nicht brechen. So soll er sie, enttäuscht über ihre in seinen Augen Störrigkeit, es mit dieser Sekte der Christinnen und Christen zu halten, dem Statthalter übergeben haben, der sie zum Tode verurteilte. Auf dem Weg von ihrem Turm ins Gefängnis soll ein Zweig am Wege in ihrem Gewand sich verfangen haben. Barbara stellte ihn in ihrem Gefängnis in ein Gefäß mit Wasser. Am Tage ihrer Hinrichtung habe dieser Zweig geblüht. Für Barbara sei das ein Zeichen gewesen: was eben noch wie tot aussieht, kann neu erblühen. So soll auch sie voll Vertrauen in den Tod gegangen sein, voll Gewissheit auf das ewige Leben bei Gott. Wer heute bei Sonnenaufgang Zweige von der Kirsche oder Forsythie, Mirabelle oder Pflaume geschnitten hat, die schon einmal Frost erlebt haben, und sie nun ans Fenster stellt, in lauwarmes Wasser, das ab und zu gewechselt wird, kann es passieren, dass die Zweige zu Weihnachten erblühen. So ist es ein schöner Brauch. Denn auch Weihnachten erzählt von dem Wunder: dass neue Hoffnung aufbricht und unser Leben mit Jesus an unserer Seite ganz neu erblüht. Und wenn du dich momentan eher trostlos fühlst, vertraue: das muss, das soll nicht so bleiben. Dein Helfer kommt. Jesus an deiner Seite. Und manchmal schickt er dir einen Menschen wie einen Engel, der dich tröstet und stärkt. Kürzlich besuchte ich eine Frau. Beim Besuch davor war sie gebeugt unter der Last von Trauer und Sorgen. Jetzt aber sagte sie: „Hoffentlich schenkt mir der liebe Gott noch ein paar Jahre.“ – Da ist jemand wieder erblüht! – Ich wünsche euch einen gesegneten zweiten Advent!